Die Leuchte auf Poel

 

Auf der Insel Poel lebte mal ein reicher Bauer. Eines Tages kam eine arme Frau zu ihm und bat um ein Almosen; er öffnete seinen Seckel und reichte ihr ein Scherflein. Als sie nun dankte mit den Worten ›Gott segne es!‹ da rief er barsch ›Gottes Segen brauch ich nicht.‹ Zur Strafe für diese Gottlosigkeit fand er keine Ruhe im Grabe, sondern wanderte als Feuerball des Nachts auf der Insel umher; die Leute nannten es nur ›dei Lücht‹. Einmal kehrten zwei Poeler Männer aus Wismar heim. Es war so dunkel, daß sie die Brücke über den Breitling nicht finden konnten. ›Wenn nun die Leuchte käme,‹ meinte der Eine, ›dann‹ – weiter kam er nicht, denn jetzt sahen sie die Leuchte auf der andern Seite der Brücke, die sie nicht hatten finden können. Sie flog immer vor ihnen her, bis dicht vor ihr Dorf, da aber so schnell über den Weg, daß sie nicht weiter kommen konnten. ›Gott segne es,‹ sprach einer der Männer. Da antwortete eine dumpfe Stimme ›Dor hevv ‚k lang‹ up lurt‘ und damit verschwand die Leuchte für immer.


Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Wien: Braumüller, 1879/80

 

 

 

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